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QUIET QUALITY - HELLMUT HATTLER


THE BIG FLOW (2006)
HUMANIMAL TALK (1989 / 2007)


In unseren Tagen ist es nicht leicht, anspruchsvolle Musik deutscher Musiker zu finden, die nicht dem Diktat des musikindustriellen Schubladenkategorisierens unterworfen und den Obsessionen von in Hit-Paraden-Geschwindigkeit getakteten Hängehosenknilchen (Max Goldt) hörig ist.

Aber das ist in allen Bereichen menschlichen Lebens so und deshalb gerade auch in der Kunst. Wer die Qualität will, hat sie zu suchen und sich zu ihr zu bemühen.

Hattler und auch KRAAN zu hören, hat nichts mit dem zurückgerichteten Lebensstil derer zu tun, die in hartnäckiger Verleugnung fortgeschrittener Zeitläufe und Wandlungen noch immer dem Krautrock nachjammern. Und doch bloß ihre verflossene Jugend meinen.

Einer, den ich letzt auf Hattler ansprach, winkte nur ab und meinte, dass ihm „Krautrock“ zuwider sei. Bitte? - Ignorant zu sein und darauf stolz zu sein, dass sind wahrlich „Privilegien“, die nur wenigen Berufen vorbehalten sind.

Hellmut Hattler hat im Oktober sein neues Album THE BIG FLOW herausgebracht und nun das 1989 erschienene, seit urlangen Zeiten vergriffene de-Winkel/Hattler Album HUMANIMAL TALK mit Bonusmaterial wiederveröffentlicht.

Beide Alben, Individuen, ich trenne sie hier nicht, sind atemberaubend, verblüffend, bezaubernd, reif, dicht, glaubwürdig, anmutig und wunderschön. Dass viele Jahre zwischen ihnen liegen und viele andere Projekte in der Zeit durchgearbeitet worden sind, tut dem keinen Abbruch. Auch nicht, dass Hattler selbst sein Neuestes als sein Bestes wertet. Der Künstler selbst ist immer gefangen, befangen. Doch das, was er vollbracht hat, geboren hat, wird frei und lernt Laufen. Emanzipiert sich von ihm.

Die Musiker um Hattler „they invent each other ever new” (NEUBAUTEN) spielen unaufgeregt, relaxt, dabei in unglaublich komplexer, äußerst differenzierter klanglicher Vielfalt und Klarheit. Ihre Stücke erzeugen teilweise hypnotische Wirkung, die an … - nein keine Vergleiche. Woran, an wen sie erinnern, sollte jeder Hörer für sich allein entdecken. Tolle!, audi! : Nimm sie und höre sie!

Nimmt man weitere Werke Hattlers hinzu, zeigt sich, wie sich ein Album als Mosaiksteinchen an das andere fügt, wie ein Projekt das nächste emaniert. Zeit verläuft nicht linear, sondern ist eine Scheibe, auf der alle Teile eines Gesamtbildes zeitgleich zeitlos vorhanden sind, als Gesamtkonzeption eines universellen Komponisten und Musikers : Hellmut Hattler.

Ein Musiker wie Hattler muß sich und niemandem etwas beweisen und wenn er es doch tut …

… dann muß der Begriff „Klassik“ neu definiert werden, denn seine Musik ist von ewiggültiger, klassischer Schönheit. Klassisch sein heißt : ganz sein. Keinem Trend, keinem Zeitgeist verpflichtet, für jede Schublade zu groß. Nicht konfektioniert, inkompatibel allen Industrie- und Massenstandards. Große Musik! Große Kunst!

Quiet quality.


Dr. Udo Meyer



Hattler


The Big Flow
Electro-Funk ( Bassball/Soulfood)

Hätte die Band des großen, blonden Tieftöners ein fettes Marketingbudget im Rücken, wäre ihr eine Dauerresidenz in den weltweiten Charts längst sicher. Und "The Big Flow" wäre garantiert ihr Multi-Platin-Seller. Weil Hattlers digitale Handarbeit auch innerhalb von geschmeidig-geschmackvollen Songstrukturen zeitgemäß-fortschrittlich und trotzdem in jeder Nuance sinnlich, sexy und leidenschaftlich-funky pumpt. Nie war musikalischer Individualismus chartkompatibler, stringenter, abenteuerlicher und tanzbarer. Wetten, dass sich kommende Hipster spätestens in 10 Jahren auf den Progressive-Soul von Hellmut Hattler und seinen erlesenen Musikern berufen werden? Weiterhören: Hattler "No Eats Yes", Madonna "Ray Of Light"

WOM-Sterne: *****

Michael Loesl


Hellmut Hattler im großen Fluss: "The Big Flow"

Hamburg (dpa) ? Wenn New Orleans "The Big Easy" ist, dann muss die Heimat von Hellmut Hattler "The Big Flow" sein. Im großen Fluss der Musik ist der Bassist im Laufe der Jahre zu einem der beständigsten und markantesten Künstler geworden, ohne an Ideen und Frische zu verlieren.
Auch auf dem neuen Album sind die Vorlieben des Sound-Bastlers nicht zu überhören: Rhythmisch überzeugende Grooves, viel Liebe zum Detail ? und die Freude an doppeldeutigen Titeln. Jedes Stück wartet mit markanten Akzenten auf, behutsam gesetzt ? sie bedrängen den Hörer nicht. Wie der letzte Ton bei "Waiting", den setzt der Chef - das Vorrecht des Bandleaders.

"The Big Flow" ist über die volle Länge ausgesprochen unterhaltsam und gradlinig. Vor der Veröffentlichung der neuen CD gab es bereits für einige Tracks reichlich Airplay. So eröffnete auch Rock ohne Grenzen im Deutschlandfunk mit zwei Stücken von - wie der Moderator trefflich anmerkte - einer Legende der deutschen Musikszene. Ebenfalls wieder als Gastsänger auf dem eigenen Album ist der Echo-Preisträger präsent. Auf dem stimmungsvollen "Believer" sorgt er für die richtige Atmosphäre.
Die Veränderungen in der Besetzung von HATTLER sind dem Gesamtbild gut bekommen. Fola Dada ist dabei die hörenswerte Entdeckung: Ob bei "Sesame", "Marseille" oder "Scion", ihr Gesang gibt den Sound-Gemälden noch das gewisse Quentchen. Eine gute Wahl. Ebenso zum besonderen Charme des Albums trägt der Einsatz der elektrischen Sitar durch Torsten de Winkel bei.

© Welt am 05.10.2006



Hattler

The Big Flow


Hellmut Hattler ist nicht nur Boss und Bassist der Deutschrock-Legende Kraan, sondern auch ein stilistisches Chamäleon, das seine Fans immer wieder mit klanglichen Wandlungen oder Neuerungen überrascht (wie einst mit Tab Two) jetzt eben als Solokünstler. Genauer: auf seinem dritten Hattler-Album THE BIG FLOW. Und er beweist immer wieder, dass er ein Händchen für die Entdeckung viel versprechender Talente hat: Diesmal präsentiert er mit Fola Dada eine neue mitreißende Sängerin, die seinen erneut modernisierten, auch auf die Hörbedürfnisse der heutigen Jugend abgestimmten Songs das Sahnehäubchen verpasst. Raffinierte Arrangements mit handgemachten wie digital produzierten und dabei homogen verwobenen Tönen überzeugen. Sie lassen gleichermaßen die Jazz-Affinität Hattlers erkennen wie seine Offenheit für die Loop- und Beat-Wünsche regelmäßiger Club-Besucher. Für Rock-Fans weniger geeignet, umso besser für Musikliebhaber, die sich für Electronica, hippe Beats und Grooves interessieren. Dabei wirkt es stets glaubwürdig, nie anbiedernd. Eigens erwähnenswert: die Beiträge von Gitarrist Torsten de Winkel bei fünf Nummern, vor allem die auf der elektrischen Sitar, gespielten.

(Bassball/edel,14/63:25) pro