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HATTLER "BASS CUTS"

Hellmut Hattler ist Deutschlands Bassminister. Seit Jahrzehnten grundiert er mit prägnantem Sound, steht für unabhängige Grooves, musikalische Innovation und mitreißende Konzerte. Er ist kein dumpfer Brummler, sondern ein kantiger Charakter an den vier Saiten, der selbst-bewusst den tiefen Ton angibt. Ob bei den niemals in die Jahre gekommenen Kraan, die seit der Jahrtausendwende in Bestbesetzung zu großer Form aufgelaufen sind, seiner Band HATTLER, die sich mit dem Debüt "No Eats Yes" gleich mal den Jazz-Echo abholte und mit "Mallberry Moon" im vergangenen Jahr erneut überzeugen konnte, oder einst mit seinem weltweit erfolgreichen Duo Tab Two. Hattler galt nicht nur mit dem Plektrum hantierenden Bassisten, sondern auch Brillenträgern stets als Vorbild. Und mit seinem Label "Bassball" beschritt er bereits den souveränen Weg der autonomen Selbstverwertung, da ahnte die Musikindustrie noch nicht einmal, wie schlecht es ihr heute gehen würde. Ein Individualist, am Bass und auch im Leben eben, einer, der etwas zu sagen hat, und dem man auch gerne zuhören mag, wenn er über Gott, die Welt und das Leben außerhalb des Studios nachdenkt. Einer, der jungen Designern auf seinen CD-Covers und seiner Homepage den nötigen Spielraum gegeben hat, obwohl er doch selbst jederzeit in der Lage wäre, fantastische Bilder für seine Alben zu malen. Hattler, ein Typ, der mit dem Mainstream nichts zu tun haben will, obwohl er der Mann für Ohrwürmer sein könnte. Einer, der sich den Luxus leistet mit seiner Familie auf dem Land fern der großen Metropolen zu leben. Ein Mann, der seinen Weg geht.

Hattlers neuester Tiefenrausch heißt ganz schlicht "Bass Cuts". Logisch, denn er setzt voll und ganz auf seine Bassics, und die klingen nach dem Sonnenaufgang am Ende einer glücklich durchtanzten Nacht oder ganz privat, wie direkt aus dem Bauch, häufig sogar so, als seien sie 10.000 Meter unterm Meeresspiegel im warmen Innern eines Wals eingespielt worden. Klar, irgendwie wieder typisch Hattler, doch noch direkter. "Da ich wusste, dass diese Stücke bestimmt nicht im Hitradio gespielt werden, habe ich mir auch alle Freiheiten heraus genommen. Nichts da mit der Begrenzung auf dreieinhalb Minuten. Es gibt richtig lange Stücke auf diesem Album, das sehr intim geworden ist", sagt Hattler. Aber keine Bange, der Viersaiter ist ein Mann mit dem Hang zu großen Melodien und gewiss kein muskelspielender Selbstdarsteller. Seine Basslust hat mit dem solistischen Treiben in den Virtuosenstadln der Frankfurter Musikmesse so gar nichts zu tun. Klar, der Mann kann's, zählt seit Jahrzehnten zu den wenigen Bassisten auf diesem Planeten, die man aus Hundertausenden heraushören kann, und ganz nebenbei spielt er noch einen extrem flottes Plektrum. Doch in den "Bass Cuts" geht es ohne Beweislast nur um Musik, Rhythmus und alles was die Gehirnzellen oder Füße bewegt. "Ich bin gegen Bass-Soli fast schon allergisch. Ich kann sie als Programmpunkt eines Konzerts akzeptieren, und für die Hormonausschüttung sind sie auch nicht ganz schlecht, aber eigentlich sollten sich die Zuhörer dann freuen, wenn die Band wieder einsteigt."

Dass der Saiten-Artist Hattler längst auch den elektronischen Dreh raus hat, ist bekannt, doch die "Bass Cuts" leben von der prickelnden Reibung der Computersounds und Handgemachtem. "Ich wollte kein Nerv-Album machen, sondern eines, dass ich mir zu Hause mit meiner Familie auch selbst anhören mag", beschreibt Hattler seine Intention und macht ein wenig in Understatement, denn das sind zwar relaxte Sounds, aber von reiner Sofamusik kann keine Rede sein. Mit seinem kühlen Ambient-Strom "Swing ur Soul" zieht er die Hörer ganz langsam in seinen Bann. Ein wenig Flyday-Feeling zu Beginn. Willkommen in der HH-Lounge, in der Raum und Zeit aufgehoben zu sein scheinen. Psychedelische Momente auf dem fliegenden Teppich, abgelöst von relaxten Breakbeats über denen sich Fretless-Linien ihren Weg bahnen. Und jetzt geht es erst richtig los, den Hattler kommt mit seinem Instrument nach einem Kurz-Workshop im "Bass Camp" an jedem noch so kritischen Türsteher vorbei und mischt den House-Club auf, zeigt, dass man mit vier Saiten viel mehr als nur basseln kann. Klare Sache, da fühlt einer nicht den musikalischen Puls dieser Zeit, er ist immer noch ein Teil davon. Der Mann weiß nicht nur, was das Wörtchen Groove bedeutet, er jongliert gekonnt mit all seinen Färbungen. Coole Club-Sounds, raffinierte Beats, elegante Klangschleifen - und immer wieder Bass. Stil ist Ehrensache für den Stilisten. Sound-Vielfalt und Vision sowieso. Und Wärme. In Hattlers Songs kann man sich wohlfühlen, loslassen ohne esoterischen Beigeschmack. Im neunminütigen dynamischen Höhenflug "The Saying" schüttet Hattler im Finale ein Füllhorn von Sounds aus, potenziert ganz langsam und Sandie Wollaschs Stimme gesellt sich hinzu. Band-Feeling am Ende, denn ein Teamspieler ist der Basser immer gewesen. Deshalb leben die "Bass Cuts" auch von altbekannten Weggefährten wie Torsten de Winkel, Trompeter Stud oder den Kraanichen Peter Wolbrandt und Ingo Bischof. Doch die Mitte ist der Bass. Zehn Tracks, die man auch nebenher hören könnte, doch will man das denn wirklich? Das Kino im Kopf bekommt hier einen neuen Soundtrack, und keine Bange, der funktioniert, ohne dass man den Treble-Knopf zurückdrehen müsste. Bass da.

(Udo Eberl/SüdwestPresse)

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